Die Mérenspferde sind zur Robustrasse zu zählen und sie erfreuen sich bei extensiver Haltung meist guter Gesundheit. Nachfolgend eine Erkrankung, die derzeit über viele Rassen hinweg diskutiert wird:

-----

PSSM – Polysaccharid-Speicher-Myopathie:

Eine Information über den aktuellen Kenntnisstand und eine Stellungnahme des Vorstandes der IG Mérens.

Was ist PSSM?

Die Polysaccharid-Speicher-Myopathie, kurz: PSSM ist eine Störung im Kohlenhydrat-Stoffwechsel des Pferdeorganismus, der sich bei betroffenen Tieren mit kreuzverschlagähnlichen Symptomen bemerkbar machen kann. Besonders ruhige und leichtfuttrige Pferde und Pferde mit einer großen Muskelmasse sind anfällig für PSSM.

Der Zusammenhang dieser Symptomatik mit einer abnormen Glykogenspeicherung wurde schon 1936 von Carlström als Montagskrankheit der Kaltblüter beschrieben.

1992 wurde erstmalig für die belastungsbedingte Muskelerkrankung die PSSM diagnostiziert und leitete eine intensive Forschungstätigkeit ein. Es zeigte sich, dass mit dem Futter aufgenommene Kohlenhydrate nicht verwertet werden können, es zu einer Anhäufung anormaler Polysaccaride sowie einer übermäßigen Anhäufung normaler Zuckermoleküle im Muskel kommt. Vereinfacht ausgedrückt, besteht bei den betroffenen Pferden ein Missverhältnis zwischen Ein- und Auslagerung der Zuckermoleküle in den Muskelzellen, was durch eine zuckerreiche, nicht rassegerechte Fütterung und Haltung noch verstärkt werden kann.

2008 wurde an der Universität von Minnesota bei 65-90% der untersuchten PSSM-Fälle die Mutation des Gens, welches für das Enzym Glykogen Synthase 1 (GYS-1) kodiert, als Ursache für diese Erkrankung entdeckt und als PSSM Typ 1 bezeichnet.

Alle anderen Fälle von PSSM, die histopatholgisch die gleichen Charakteristika, jedoch keine Mutation aufweisen, werden derzeit als PSSM Typ 2 bezeichnet.

Mit großer Wahrscheinlichkeit ist die GYS-1-Mutation nicht die einzige Mutation, die zu PSSM führt, aber die einzig bekannte.

 

Wie kann PSSM nachgewiesen werden?

Im Jahr 2012 wurde ein Gentest für das verantwortliche Krankheitsgen PSSM Typ 1 von Prof. Mickelson patentiert, das deutsche Labor Laboklin hat die exklusive Lizenz erworben und besitzt somit das alleinige Untersuchungsrecht in Europa.

Ein DNA Test ermöglicht den direkten Nachweis der Mutation für PSSM Typ 1, die für 90% aller PSSM-Erkrankungen verantwortlich ist. Für die restlichen erkrankten Tiere ist die einzig sichere Diagnostik die Muskelbiopsie.

Für den Gentest, der unabhängig vom Alter des Tieres ist, sind ca. 0,5 ml EDTA-Blut oder ca. 20 Mähnen- oder Schweifhaare mit Wurzel erforderlich. Die Proben können entweder über den Webshop von Laboklin:

https://shop.labogen.com/genuntersuchung-bestellen/pferd/merens/

oder auch direkt mit einem Antragsformular unter

http://www.laboklin.de/pdf/de/service/ua2015/th/ua_genetik_pfd_dt_th.pdf

oder über den behandelnden Tierarzt eingeschickt werden.

Der aktuelle Preis für Besitzer beträgt 59,50 Euro inkl. MWSt, für Mitglieder der IG Mérens gewährt Laboklin unter Angabe der Mitgliedsnummer einen Rabatt von 10%.

 

Wie wird PSSM vererbt?

Die PSSM Typ 1 wird autosomal-dominant vererbt, d.h., dass bereits ein betroffenes Gen zu dieser Erkrankung führen kann. Die Wahrscheinlichkeit für diese Erkrankung nimmt zu, wenn das Pferd reinerbig für diese Mutation ist.

  • Genotyp N/N:
    Dieses Pferd trägt die Mutation nicht und wird nicht am PSSM Typ 1 erkranken.
  • Genotyp N/PS:
    Dieses Pferd trägt eine Kopie des mutierten Gens und hat ein hohes Risiko an PSSM Typ 1 zu erkranken. Es wird die Mutation zu 50% an seine Nachkommen weitergeben.
  • Genotyp PS/PS:
    Dieses Pferd trägt 2 Kopien des mutierten Gens und hat ein sehr hohes Risiko an PSSM Typ 1 zu erkranken. Es wird die Mutation an jedes seiner Nachkommen weitergeben.

 

Wie äußert sich PSSM?
PSSM – bekannt beim Quarter Horse

Das klinische Bild der PSSM beim Quarter Horse und der Quarter-Horse- verwandten Rassen wie z.B. Appaloosa, Paint Horse u.a. ist gekennzeichnet durch wiederkehrende Kreuzverschlagepisoden, welche meist ab einem Alter von ca. 5 Jahren auftreten. Durch die Unterstützung der American Quarter Horse Association (AQHA) konnte die Erkrankung sehr gut charakterisiert und erforscht werden. Den Ergebnissen zufolge leiden 6 bis 12 Prozent aller Quarter Horses in den USA an PSSM.

Typische Anzeichen sind:

  • plötzliche Steifheit
  • verhärtete Muskulatur
  • vermehrtes Schwitzen
  • Schmerzsymptomatik
  • Bewegungsunwillen, der häufig gleich nach Belastungsbeginn auftritt
  • Schwerwiegende Fälle kommen auch zum Festliegen, mit Myoglobinämie und Myoglobinurie, mit kaffeebraunem Harn, wie es von Kreuzverschlägen bekannt ist

 

PSSM – bekannt beim Kaltblut

Beim Kaltblut treten die Symptome meist in deutlich schwächerer Form und in höherem Alter (>10 Jahre) auf. Im Vordergrund stehen:

  • Schwäche
  • Muskelschmerz
  • Steifheit
  • Veränderungen des Ganges, die mit einer Atrophie der Muskulatur verbunden ist

Die Krankheitshäufigkeit ist höher als beim Quarter Horse, in den USA beträgt sie bei den Belgischen Kaltblütern 36 Prozent. Auch bei den europäischen Kaltblutrassen wird eine sehr hohe Prävalenz vermutet.

 

PSSM – bei Warmblütern

Von PSSM sind auch unzählige andere Rassen betroffen, wobei die Prävalenz meist unbekannt ist. Bei einer Studie an Warmblutpferden mit PSSM, die im Spring- und Dressursport eingesetzt werden, wurde als einziges Symptom „Rückenschmerzen“ festgestellt.

 

PSSM – bei Haflingern und Norikern

Neben dem Süddeutschen Kaltblut und dem Schwarzwälder Fuchs sind auch in Österreich gezogene Haflinger und Noriker betroffen. Bei der Rasse Noriker wurde 2012 eine Stichprobe mit 129 Pferden durchgeführt, die einen Anteil von Tieren mit PSSM Typ 1 von 33% ergab.

Die Symptomatik gleicht der des Kaltbluts und tritt auch erst im Alter in Erscheinung:

  • Muskelsteifheit und –schmerzen
  • Muskelschwund hauptsächlich in der Rücken- und Hinterhandmuskulatur
  • Schlechter Muskelaufbau trotz entsprechendem Trainings
  • Schwäche und Gangabnormalitäten bei fortgeschrittenen Fällen
  • Wie beim Warmblut können „Rückenbeschwerden“ als einzige Krankheitserscheinungen auftreten
  • Gelegentlich auch die typische Kreuzverschlagsymptomatik

 

PSSM beim Mérens

Bei den Mérens-Züchtern in Frankreich ist PSSM erst zum Thema geworden, als bei auffällig gewordenen Pferden in Deutschland die Mutation nachgewiesen werden konnte. Auf Nachfragen berichteten einige Züchter von vereinzelt auftretenden Kreuzverschlägen (etwa 2 in 30 Jahren Zucht). Für die PSSM typischen Symptome wurden nicht beobachtet, was wahrscheinlich an den in Frankreich anderen Haltungs- und Fütterungsbedingungen liegt. Vielleicht ist es auch wie bei den Norikern, dass viele Besitzer über eine milde Symptomatik (z.B. Gangauffälligkeiten) hinwegsehen und dem keine Bedeutung beimessen.

Bisher wurden bei Laboklin knapp 60 Proben von Mérens untersucht, davon sind:

56% (N/N) - nicht betroffen
41% (N/PS) - heterozygot (mischerbig)
3% (PS/PS) - homozygot (reinerbig)

Diese Zahlen sind mit Vorsicht zu betrachten, da eine Gesamtzahl unter 100 Proben statistisch nicht aussagekräftig ist und möglicherweise ein Teil der Pferde aufgrund eines klinischen Verdachts untersucht worden ist, was den hohen Anteil PSSM-betroffener Pferde erklären könnte (persönliche Mitteilung von Frau Gunreben, Laboklin).

Es sind weitere Untersuchungen erforderlich, um den tatsächlichen Anteil betroffener Pferde an der Gesamtpopulation und die Symptomatik zu ermitteln.

 

Wie ist mit einem betroffenen Pferd umzugehen?

Ist bei einem Pferd eine PSSM nachgewiesen worden, sollte nicht gewartet werden, bis die ersten klinischen Symptome auftreten, sondern vorbeugend Fütterung und Haltung optimiert werden.
Ein Argument warum bei Kaltblütern und ähnlichen Rassen die Symptomatik seltener beobachtet wird ist, dass diese Pferde „härter im nehmen“ sind, d.h. sie zeigen Muskelschmerzen nicht wie ein Warmblut oder Quarter Horse. Daher sollten betroffene Pferde gut beobachtet werden.

Da PSSM eine Störung des Kohlenhydrat-Stoffwechsels ist, muss die Fütterung stärke- und zuckerarm erfolgen. Es sollte immer ausreichend Grundfutter in Form von Heu zur Verfügung stehen, welches einen möglichst geringen Zuckergehalt aufweist (Heuanalyse). Außerdem müssen schnell wachsende, fette Weiden vermieden werden. Beim Kraftfutter sollten keine üblichen Fertigfuttermittel oder Hafer eingesetzt werden, sondern auf eine spezielle kohlenhydratarme Diät geachtet werden, die ganz individuell auf die Lebensumstände des Pferdes angepasst werden sollte, soweit Kraftfutter überhaupt erforderlich sein sollte. Mittlerweile sind verschiedene Kraftfuttermittel erhältlich, die speziell auf die Bedürfnisse von PSSM-Pferden angepasst sind und einen hohen Fett- und niedrigen Stärkegehalt aufweisen. Ebenso sollte für die Bereitstellung von Mineralstoffen, Vitaminen, Aminosäuren und Spurenelementen, insbesondere Selen ein optimaler Ernährungsplan von einem Tierarzt oder Ernährungsspezialisten erstellt werden.

Das Pferd sollte so aktiv wie möglich gehalten werden, da regelmäßige Bewegung den Glucoseverbrauch steigert und gleichzeitig den Energiemetabolismus und die Glykolyse der Skelettmuskulatur verbessert. Erkrankte Pferde sollten sich möglichst viel im Auslauf, auf der Koppel oder im Offenstall und wenig stehend in der Box aufhalten. Bei der Arbeit ist ein ausreichendes warm up und cool down essentiell, auch Änderungen sind nur sehr langsam vorzunehmen.

Bei gezielter Fütterung und einem entsprechenden Trainingsaufbau sind PSSM-Pferde auch im anspruchsvollen Dressur- und Springsport langfristig einsetzbar.

 

PSSM und Zucht

Ein Genanteil von über 30% bedeutet, dass diese Mutation bereits über viele Generationen in der Zucht vorhanden ist und eine Anpassung an das karge Leben in den Bergen darstellt. Ein Zuchtausschluss der betroffenen Tiere ist daher keinesfalls zu empfehlen!

Betrachtet man eine vergleichbare Rasse, die intensiver untersucht wurde: 2012 führte Simone Reiter im Rahmen ihrer Diplomarbeit an der Veterinärmedizinischen Universität in Wien eine Stichprobe bei 129 Norikerpferden durch, der Anteil positiv auf PSSM Typ 1 getesteter Tiere lag bei 33%. Auffällig war, dass, wie bei den Mérens, bei vielen getesteten Tieren keine Symptomatik bemerkbar war!
Der Vorstand der ARGE Noriker hat aufgrund dieser Ergebnisse beschlossen, bei allen Hengsten den PSSM-Status auszuweisen und reinerbige Hengste bis auf weiteres nicht zur Körung zuzulassen und empfohlen, die eingesetzten Zuchtstuten zu testen. Parallel dazu wird die Wissenschaft mit einer Expertise beauftragt, wie die Problematik züchterisch unter Berücksichtigung der rassetypischen Parameter umgesetzt werden kann.

Der Zuchtausschluss aller positiv auf PSSM Typ 1 getesteten Pferde würde das Problem einfach und nachhaltig lösen, jedoch zu welchem Preis? Viele wunderbare Eigenschaften gingen mit Sicherheit verloren und andere unerwünschte könnten sich zeigen.

 

Fazit:

Der Test auf PSSM Typ 1 ist nur ein Gentest auf die genetische Mutation, die in vielen Rassen vielleicht schon immer vorhanden war. Betroffene Pferde scheinen größtenteils problemlos damit umgehen können, wenn sie entsprechend gehalten und gefüttert werden.

Wir empfehlen daher, die Mérens auf PSSM Typ 1 testen zu lassen, um im Fall eines positiven Befundes aufmerksam zu sein und auf Symptome zu achten.

Noch ist zu wenig über die Verbreitung und Symptomatik der PSSM überhaupt bekannt, um Zuchtempfehlungen zu geben. Da reinerbige Merkmalsträger aber das höchste Risiko haben zu erkranken, sollten diese Anpaarungen vermieden werden.

Daher bitten wir alle, die ein betroffenes Pferd haben, sich mit mir in Verbindung zu setzen. Die Daten unterliegen selbstverständlich der Schweigepflicht (krebsbreuer@amsonnenstueck.de).

 

Dr. Barbara Krebs-Breuer, Stand 28.02.2017

 

Ich bedanke mich sehr herzlich für ihre Unterstützung bei Frau Bärbel Gunreben von Laboklin und bei Frau Dr. Bianca Schwarz von der Pferdeklinik Altforweiler, Internistin und ausgewiesenen Spezialistin auf dem Gebiet der PSSM.

 

Anhang:

Literatur bei der Verfasserin

Rassenliste: http://www.laboklin.de/index.php?link=labogen/pages/html/de/erbkrankheiten/pferd.htmlerzeit